Am 15. Januar 2013 hatte der Staatsrat Gesetzesvorentwürfe in die Vernehmlassung gegeben, mit denen namentlich die Problematik des natürlichen Quorums in den Wahlkreisen Glanebezirk und Vivisbachbezirk geregelt werden sollte. Er schlug dafür zwei mögliche Lösungen vor: Die derzeitigen Wahlkreise werden erhalten, und das Wahlsystem muss grundlegend geändert werden. Oder die Wahlkreise Glanebezirk und Vivisbachbezirk werden zusammengelegt, so dass man das Problem lösen kann, ohne das Wahlsystem zu ändern.
In der Vernehmlassung haben die politischen Parteien und Gruppierungen die Notwendigkeit, das System zu ändern, in Zweifel gezogen. Einige haben andere Methoden vorgeschlagen, um das Problem zu lösen, z. B. das Festschreiben der derzeitigen Situation in der Verfassung, um die jetzige Lage zu legalisieren, oder weitere Methoden wie die sogenannte "Kantonalisierung", die eine politische Partei vorgeschlagen hat, die Schaffung von Ersatzgrossrätinnen und -grossräten, die Einführung von zusätzlichen Grossrätinnen und Grossräten, die Zusammenlegung der Kreise Glanebezirk und Vivisbachbezirk nach dem Modell von Basel-Landschaft oder die Methode der Unter-Wahlkreise, die im Kanton Waadt gebraucht wird. Zur Frage der gesetzlichen Quoren haben die politischen Parteien und Gruppierungen verschiedene Vorschläge von Sätzen formuliert, falls definitiv das biproportionale System (Pukelsheim) gewählt werden sollte.
Es wurde als angebracht erachtet, einen von der Kantonsverwaltung unabhängigen Experten zu Hilfe zu nehmen, um auf all diese Vorstösse zu antworten. Dr. Jacques Dubey, Professor am Lehrstuhl für Verfassungsrecht des Departements für öffentliches Recht der Universität Freiburg, erhielt deshalb den Auftrag, die Bemerkungen und Vorschläge, die von den politischen Parteien und Gruppierungen in der Vernehmlassung gemacht wurden, zu untersuchen und seine Meinung dazu zu äussern.
Prof. Dr. Jacques Dubey reichte sein Rechtsgutachten am 26. Juni 2013 ein. Daraus geht hervor, dass die Beibehaltung der derzeitigen Situation undenkbar ist. Laut ihm gibt es zwei Möglichkeiten:
a) Entweder wird die traditionelle Umschreibung der Wahlkreise (-bezirke) Glanebezirk und Vivisbachbezirk beibehalten und eine neue Methode zur Sitzverteilung gewählt, die den Anforderungen des Proporzsystems gerecht wird.
b) Oder man behält die traditionelle Methode der Verteilung der Mandate in den Wahlkreisen (-bezirken) und macht einen neuen Wahlkreis Glane- und Vivisbachbezirk.
Laut Professor Dubey könnten im jetzigen Verfassungsrahmen nebst den Vorschlägen, die der Staatsrat formuliert hat (Vorentwürfe B und B1), zwei (ähnliche) Methoden, die von politischen Parteien und Gruppierungen im Vernehmlassungsverfahren vorgebracht wurden, das Problem lösen, mit dem das Freiburger Wahlsystem konfrontiert wird. Es sind dies die "Unter-Kreise" des Kantons Waadt und die "Gruppierung der Kreise", die in den Kantonen Luzern und Basel-Landschaft gebraucht wird. Sowohl die Methode der "Unter-Kreise nach Waadtländer Art" als auch diejenige der "Gruppierung von Kreisen nach dem Modell von Basel-Landschaft und Luzern" müssten aber ein System von Sitzverschiebungen beinhalten, das mit einem "Mini-Pukelsheim" verglichen werden könnte. Er ist der Ansicht, dass mit den übrigen Methoden, die von den politischen Parteien und Gruppierungen vorgeschlagen wurden, das Problem nicht gelöst werden kann.
Bei den Quoren bestimmte Professor Jacques Dubey die annehmbaren Grenzen unter dem Gesichtspunkt des Verfassungsrechts. Er hat ausserdem darauf hingewiesen, dass ein kantonsweites, einziges gesetzliches Quorum von 3,5 % als nicht kompatibel mit dem übergeordneten Recht erscheint.
Schliesslich wird darauf hingewiesen, dass das Bundesgericht am 10. Juli 2013 in einer Zuger Angelegenheit einen Entscheid gefällt hat, nach dem es mit der von der Bundesverfassung garantierten Wahl- und Abstimmungsfreiheit nicht vereinbar ist, das in der Kantonsverfassung festgelegte Wahlverfahren zu ändern, um ein geltendes Wahlverfahren beizubehalten, das mit dem übergeordneten Recht nicht kompatibel ist (zu hohe natürliche Quoren). Es hat den fraglichen Gesetzesentwurf aufgehoben, obwohl dieser vom Grossen Rat des Kantons Zugs genehmigt worden war.
Da laut dem Rechtsgutachten die von der Verfassung vorgeschriebene Grenze von acht Kreisen nicht für Unterkreise gilt, könnten die Gruppierung von Kreisen nach "Waadtländer Art" (mit der nachfolgenden Schaffung von Unter-Kreisen) oder nach "Luzerner" und "Basler Art" (Gruppierung von Kreisen) geeignete Lösungen darstellen, um das Problem, mit dem das Freiburger Wahlsystem konfrontiert wird, zu regeln. Das könnte der dritte Weg sein, der von politischen Parteien und Gruppierungen gefordert wird.
Aus diesen Gründen hat die Direktion der Institutionen und der Land- und Forstwirtschaft im Auftrag des Staatsrats das Rechtsgutachten von Professor Jacques Dubey am 15. Juli 2013 ebenfalls in die Vernehmlassung gegeben. Neben diesem Dokument gehören ein kurzer Fragebogen und zusätzliche Dokumente zu den Vernehmlassungsunterlagen. Die Antworten sollten dem Staatsrat und dem Grossen Rat erlauben, den geeignetsten Weg für den Kanton zu wählen. Die Vernehmlassung dauert bis 13. September 2013.
Adressen für den Zugang zu den Vernehmlassungsunterlagen:
http://www.fr.ch/cha/de/pub/vernehmlassungen.htm
http://www.fr.ch/diaf/de/pub/praesentation/in_vernehmlassung.htm