Die Initiative "Zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer" (Durchsetzungsinitiative) ist unnötig, gefährlich und ungerecht. Sie ist unnötig, denn das Bundesparlament hat neue Gesetzesbestimmungen erlassen und mit ihnen die Anforderungen der vorherigen Initiative zur Ausschaffung von kriminellen Ausländern, die am 28. November 2010 von Volk und Ständen angenommen wurde, erfüllt. Diese neuen Bestimmungen stellen namentlich die automatische Ausweisung bei schwerden Verbrechen sicher und verschärfen so die gegenwärtige Praxis, die schon sehr streng ist. So hat der Kanton Freiburg 2015 Ausschaffungsverfügungen gegen rund 320 Ausländer, die Strafhandlungen (einschliesslich einfacher Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz) begangen haben, erlassen. Ausserdem gehen die neuen Gesetzesbestimmungen in zahlreichen Punkten weiter als die Initiative, die 2010 vom Volk angenommen wurde, indem einige Elemente der Durchsetzungsinitiative, wie die Ausschaffung bei Sozialhilfemissbrauch, aufgenommen wurden. In einigen Punkten gehen sie sogar weiter als die Initiative, die am 28. Februar 2016 zur Abstimmung unterbreitet wird; das gilt sowohl für den Katalog der Vergehen als auch für die Dauer der Landesverweisung oder das Gewicht früherer Verurteilungen. In dieser Hinsicht scheint die Durchsetzungsinitiative lückenhaft.
Die Initiative, die dem Volk unterbreitet wird, ist gefährlich, denn sie bricht mit den Grundprinzipien des Rechtsstaats. Da sie die automatische Ausweisung für eine sehr breite Palette von Straftaten vorschreibt, ohne den Gerichtsbehörden irgendein Ermessen zu lassen, missachtet sie den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismässigkeit. Deshalb ist die Initiative letztlich ungerecht, denn ihre Anwendung würde zu Ausweisungsmassnahmen führen, die das Rechtsempfinden zutiefst verletzen. So würde beispielsweise ein in der Schweiz geborener Ausländer nach einer Verurteilung wegen eines Schlags, der zu einem Bluterguss geführt hat, automatisch ausgewiesen, weil er vor längerer Zeit eine Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz begangen hat.
Da die Initiative, die am 28. Februar 2016 zur Abstimmung unterbreitet wird, ausführliche Durchsetzungsbestimmungen in der Verfassung festschreiben will, umgeht sie die Arbeit des Parlaments, das zuständig ist, die Gesetze anzupassen, um eine Initiative umzusetzen. Die Kantone, die hauptsächlich für die Ausführung des Gesetzes verantwortlich sind, werden ausserdem ihres Mitwirkungsrechts im Rahmen des Vernehmlassungsverfahrens zu Entwürfen von Bundesgesetzen beraubt. Damit werden Grundregeln der Schweizer Demokratie verletzt. Die Verfassung sollte nicht dazu missbraucht werden, um beim Vollzug eines Gesetzes eine gewisse Auslegung vorzuschreiben.
Die Durchsetzungsinitiative schafft nicht zuletzt auch einen Konflikt mit dem Abkommen über den freien Personenverkehr und mit internationalen Menschenrechtsgarantien. Wenn sie angenommen würde, würde sie dem guten Ruf der Schweiz grossen Schaden zufügen. Die Ungleichbehandlung zwischen Schweizern und Ausländern ist unseres Landes nicht würdig und bedroht einen Trumpf, den die Schweiz ausspielt, um den Wirtschaftsstandort zu fördern, die Rechtssicherheit. Der Austausch mit unseren europäischen Nachbarn ist ebenso wichtig für die Wirtschaft und die Forschung in unserem Kanton wie eine rechtliche Stabilität. Ein "Ja" am 28. Februar 2016 würde die Stellung der Schweiz gegenüber der Europäischen Union, aber auch gegenüber unseren übrigen internationalen Partnern noch heikler machen, als sie es schon ist, und würde unserer Wirtschaft beträchtlich schaden.
Aus all diesen Gründen lädt der Staatsrat die Freiburger Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ein, am 28. Februar 2016 zur sogenannten Durchsetzungsinitiative "Nein" zu sagen.