Das Abkommen über die Freizügigkeit im Personenverkehr (FZA), dessen Aufhebung die SVP mit ihrer Initiative fordert, gleicht den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in den technischen Berufen und in den Informatikberufen aus. Bei einem Ja am 27. September 2020 hätten die Freiburger Unternehmen mehr Mühe, die Spezialisten, die sie brauchen, zu rekrutieren. Sie müssten erneut die schwerfälligen und komplexen Verfahren bei der Aufenthaltsbewilligung und der Arbeitsbewilligung durchlaufen. Gemäss dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) kostete dieses Vorgehen im Jahr 2011 die Unternehmen 9,7 Millionen Franken.
Die Gesundheit, die Landwirtschaft und der Tourismus sind Branchen, die sich durch einen hohen Anteil an ausländischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auszeichnen. In Freiburg stammt ein Drittel der praktizierenden Ärzte aus Europa. Die Qualität der Pflege und das gesundheitliche Gleichgewicht im Kanton wären deshalb von der Aufhebung des FZA stark betroffen. In der Bildung und der Forschung kommen allein an der Universität Freiburg 100 Professorinnen und Professoren und an die 450 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus einem Land der EU. Es ist also offensichtlich, dass das Niveau und die Qualität der Lehre an der Universität, an der HES-SO//FR und an der HEP-PH FR auch vom FZA abhängen.
Aufgrund der Guillotine-Klausel gefährdet der Text auch die 7 Abkommen, welche die Bilateralen I bilden. Von ihnen betrifft das Landwirtschaftsabkommen Freiburg als grossen Produzenten von Käse und verarbeiteten Milchprodukte besonders. Da 80 % der Schweizer Käseexporte in die Europäische Union gehen, wäre die Aufhebung dieses Abkommens eine Katastrophe. Das Forschungsabkommen ist auch für die Freiburger Hochschulen wichtig. Es ermöglicht namentlich die Mobilität der Studierenden und die Teilnahme an den Rahmenprogrammen für Forschung der EU. Allein bei der HES-SO//FR kommen bis zu 2 Millionen Franken im Jahr aus Forschungsprojekten der Europäischen Union. Die übrigen Abkommen betreffen den Zugang zum europäischen Markt, mit dem 60 % des geschäftlichen Warenaustausches stattfindet.
Schliesslich wäre es vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Unsicherheit im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise besonders riskant, sich in eine Verhandlung zu stürzen, deren mehr als ungewisser Ausgang sich für die Schweiz und den Kanton Freiburg als katastrophal erweisen könnte. Der Staatsrat will sich nicht auf ein Experiment, das zu einer starken wirtschaftlichen und politischen Instabilität führt, einlassen.