Gewalt gegen ältere Menschen kann verschiedene Formen annehmen. Sie kann körperlich sein, z. B., wenn man ihnen nicht die Pflege zukommen lässt, die sie für ihre Grundbedürfnisse benötigen, sie zum Essen zwingt, sie anbindet oder ihnen mehr Medikamente gibt, «um sie ruhig zu stellen». Jedoch kann die Gewalt auch hinterhältiger und subtiler sein, wie z. B. physische und soziale Isolation, Erpressung, Enteignung, Missachtung der Bedürfnisse, Zwang, Entbehrung, Behandlung wie ein Kind.
Gewalt gegen ältere Menschen kann im familiären Umfeld (Angehörige) und ausserfamiliären Umfeld sowie im institutionellen Umfeld (Spitäler, Alterseinrichtungen) vorkommen.
Der Umgang mit Misshandlung und deren Bewältigung ist dann erfolgreich, wenn sich alle Personen, die in irgendeiner Weise darin involviert sind, in diese Problematik einbezogen fühlen.
Misshandlungen kann man durch die Aufklärung der Bevölkerung und die Schulung des betroffenen Personals vorbeugen. Die Diskussion über Missbrauch, Vernachlässigung und Gewalt gegenüber älteren Menschen dient somit der Sensibilisierung, der Prävention und der Aufklärung über das Leid, das möglicherweise von Personen erlebt wird, die in irgendeiner Weise von einer Misshandlung betroffen sind. Prävention und Problemlösung werden effizienter, wenn verschiedene an der Gesundheitsversorgung beteiligte Partner, Vertretungen von Justiz und Polizei oder gar Organisationen für Betagte einbezogen werden. Damit Risikosituationen schnell erkannt und Mittel zur Prävention angewandt werden können, müssen Früherkennungs- und Interventionsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
FAQ
-
Es kann vorkommen, dass sich die Person, die zu Hause einen älteren Menschen pflegt, in einer schwierigen sozioökonomischen oder psychischen Situation befindet und nicht mehr über ausreichende Ressourcen verfügt, um die zu pflegende Person angemessen zu versorgen. Dies kann z. B. bei persönlichen Schwierigkeiten der Fall sein (gesundheitliche, finanzielle, soziale Probleme) oder in direktem Zusammenhang mit der Betreuung der älteren Person stehen (Überlastung, Erschöpfung, Pflichtgefühl, mangelnde Kenntnisse, fehlende Anerkennung). Diese Situationen stellen Risikofaktoren für eine Misshandlung der abhängigen Person dar.
Auch das Pflegepersonal kann unter schädlichen Arbeitsbedingungen leiden, die das Auftreten berufsbedingter Erschöpfungserscheinungen begünstigen. Faktoren, die zu missbräuchlichen Praktiken beitragen können:
- zu tiefe Personaldotation
- kein Pflegeleitbild in der Einrichtung
- keine im Team erstellten Projekte (welche Ziele werden für den/die Pflegeleistungsempfänger/in definiert)
- mangelnde Kommunikation zwischen den Pflegefachpersonen bei Problemen mit den zu betreuenden Personen
- fehlende Ausbildung, Unkenntnis der allgemeinen Bedürfnisse älterer Menschen
- mangelnde Motivation seitens Pflegefachpersonen, Ermüdung aufgrund falscher Vorstellungen von der Arbeit in der Geriatrie
- ständige Konfrontation mit Alter und einem negativen Bild von älteren Menschen
- Verhaltensstörungen und Aggressivität seitens der älteren Person
Die Unkenntnis über das Leben älterer Menschen (Bedürfnisse, Ressourcen, Gewohnheiten, Lebensgeschichte, ...) kann bei der Pflege zu unbeabsichtigten Fehlern führen, wie z. B. das Erledigen von Aufgaben an ihrer Stelle oder das Ignorieren bestimmter Bedürfnisse, wie z. B. das Bedürfnis nach Kommunikation.
-
Die Rollen und Pflichten von Pflegefachpersonen sind in verschiedenen Dekreten zu finden: Das Pflegefachpersonal, das in den Alterseinrichtungen und Spitexdiensten arbeitet, die dem entsprechenden Freiburger Verband (AFISA-VFAS) angehören, unterliegt den ethischen Grundsätzen seiner Charta; der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) hat Ethikrichtlinien für Pflegefachpersonen erarbeitet. Bei den internationalen Texten findet man den Code of Ethics for Nurses für den Pflegefachberuf, der als Basis für die Erarbeitung des Schweizer Dokuments diente.
Pflegefachpersonen als professionelle Anbieterinnen und Anbieter von Gesundheitspflege haben eine Rolle beim Schutz der Gesundheit, der Würde und der Sicherheit älterer Menschen inne (Schweizerisches Strafgesetzbuch Art. 122). Durch Früherkennungsmassnahmen und Gesundheitsförderung können sie ältere Menschen ermitteln, die möglicherweise Opfer von Misshandlungen werden. Sie können Fälle von Misshandlung älterer Menschen feststellen und die Auswirkungen sowie die Prävalenz von Misshandlung älterer Menschen verringern.
-
Es gibt keine absolute Garantie dafür, dass in einer Institution keine Gewalt vorkommt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass einige Faktoren zur Verhinderung und wirksameren Bekämpfung von Misshandlungen beitragen. Daher wird es wichtig sein, Situationen, in denen das Personal erschöpft und frustriert ist, einzuschränken, und bei Bedarf psychologische Unterstützung anzubieten.
Bessere Arbeitsbedingungen und die Einführung einer klaren Organisation werden zur Erreichung dieses Ziels beitragen. Regelmässiger Austausch im Team ist unerlässlich, ebenso lebendig gestaltete
Die Einführung von Qualitätskriterien in Einrichtungen für ältere Menschen trägt zur Entwicklung der Misshandlungsprävention bei.
- Politik zur Ausbildung des Pflegefachpersonals zum Umgang mit älteren Menschen (geriatrisch, psychogeriatrisch).
- Informationen über den/die Bewohner/in durch eine Datensammlung, um die Gewohnheiten, Ressourcen, Bedürfnisse und Wünsche besser kennen zu lernen. Definieren von Pflegezielen mit dem Bewohner/der Bewohnerin und der Familie, soweit möglich. Ziel ist eine individuelle Betreuung, die von einer Reflexion der Bedürfnisse der zu betreuenden Person zeugt.
- Pflegekonzept, das die persönliche Freiheit berücksichtigt und Mittel zur Förderung der Autonomie bereitstellt.
- Ausreichende Pflegepersonaldotation.
- Offenheit und Austausch zwischen den Mitgliedern des Pflegeteams in Bezug auf Schwierigkeiten bei der Pflege. Identifikation von Arbeitsbedingungen als Risikofaktor. Supervision von Pflegefachpersonen, die möglicherweise ein Risikoverhalten zeigen, und Umsetzung von Mitteln zur Begleitung dieser Personen.
- Internes und externes Beschwerdeverfahren in der Einrichtung, das dem Personal, den Bewohnenden sowie deren Angehörigen und/oder Vertretungen bekannt ist (siehe Beispiel unter «Patientenrechte»).
- Umsetzung eines Anwendungsprotokolls für jede angewandte Zwangsmassnahme (siehe Beispiel unter «Patientenrechte»).
- Überlegungen und Schulungen (innerhalb und/oder ausserhalb der Einrichtung) des Personals zum Thema Misshandlung älterer Menschen.
- Andere Qualitätskriterien gehören ebenfalls zu den Präventivmassnahmen gegen Misshandlungen.
-
Die nicht-professionellen Pflegenden gehören meist zur engen Familie der pflegebedürftigen Person, meist sind es Kinder und/oder Ehepartner/in der betagten Person. Bei der Misshandlungsprävention müssen die Schwierigkeiten von pflegenden Angehörigen unbedingt berücksichtigt werden.
Schwierigkeiten der pflegenden Personen können zu einer schlechten Behandlung der pflegebedürftigen Person führen, deshalb brauchen sie die entsprechenden materiellen und psychologischen Rahmenbedingungen. Dafür gibt es mehrere Unterstützungsmöglichkeiten:
- Betreuungsstrukturen für ältere Menschen (Tagesstätte, Kurzaufenthalt in einer sozialmedizinischen Einrichtung), Netzwerke zur Unterstützung zu Hause (Freiwillige, ...), Orte für Begegnung und Austausch zur Unterstützung betreuender Angehöriger (Selbsthilfegruppen).
- Auch Spitexdienste können für die Pflege und Unterstützung der älteren Person sowie ihres Umfelds herangezogen werden.
- Die Bereitstellung von häuslichen Hilfsmitteln wie Fernbetreuung oder Essenslieferungen tragen ebenfalls zur Unterstützung bei.
- Es existieren finanzielle Unterstützungen, insbesondere die Pauschalentschädigung, eine finanzielle Unterstützung an Angehörige und Nahestehende, die einer hilflosen Person langfristig und regelmässig Hilfe in bedeutendem Umfang leisten, so dass diese zu Hause leben kann. Ein entsprechendes Gesuch kann beim Wohnbezirk der älteren Person eingereicht werden. Seniorenhilfsorganisationen oder Sozialdienste können Personen, die weitere Informationen wünschen, über das Vorgehen für finanzielle Unterstützung informieren.
Die Unterstützung der pflegenden Angehörigen bedeutet auch, dass die ältere Person so lange wie möglich in ihrem Zuhause bleiben kann. Lässt die Situation ein Verbleib zu Hause jedoch nicht mehr zu, muss manchmal eine Entscheidung für eine Unterbringung in einem Pflegeheim getroffen werden.
-
Es ist wichtig, dass sich das Opfer einer Vertrauensperson, einem Familienmitglied, einer Freundin oder einem Freund anvertrauen kann. Diese Person klärt mit ihr die Situation, indem sie feststellt, um welche Form von Missbrauch es sich handelt und welche Personen beteiligt sind. Es ist zudem wichtig, die Dringlichkeit der Situation zu bestimmen. Die Vertrauensperson begleitet das Opfer mit dessen Einverständnis bei Beschwerden gegenüber der Einrichtung oder den zuständigen Stellen. Das Opfer und seine Angehörigen müssen über ihre Rechte informiert werden.
Hervorzuheben ist die Bedeutung der Kommunikation zwischen dem Pflegefachpersonal und der Familie. Den Familien kann Raum für Austausch angeboten werden, damit sie über ihre Befürchtungen, Ängste und möglicherweise Schuldgefühle im Zusammenhang mit der Unterbringung ihrer Angehörigen sprechen können. Dadurch können oftmals Missverständnisse und falsche Interpretationen von Situationen vermieden werden. Dadurch wird ein Klima des Vertrauens und der Anerkennung der Gefühle jedes und jeder Einzelnen gefördert.
Vorgehen innerhalb der Einrichtung
Zielführend ist in den meisten Fällen ein Dialog mit der Person, über die sich die ältere Person beschwert. Im Rahmen ihres Beschwerdeverfahrens muss die Einrichtung interne Ansprechpersonen benannt haben, bei denen gegebenenfalls eine Beschwerde eingereicht werden kann.
Vorgehen ausserhalb der Einrichtung
Die Bewohnerin bzw. der Bewohner oder ihre bzw. seine Vertretung kann bei folgenden Stellen jederzeit Beschwerde einreichen:
- Friedensgericht bei Zwangsmassnahmen und/oder Massnahmen zur Einschränkung der Bewegungsfreiheit;
- Kommission für die Aufsicht über die Berufe des Gesundheitswesens und die Wahrung der Patientenrechte (z. H. Direktion für Gesundheit und Soziales, Route des Cliniques 17, Postfach, 1701 Freiburg) für alle anderen Beschwerden zu Bewohnendenrechten und Misshandlung.
Fachpersonen, Bewohnende oder ihre Angehörigen können eine externe Beratung anfordern, um einen Problemfall aufzuklären:
- Kantonsarztamt: Das Kantonsarztamt ist unter anderem mit der Aufsicht über die Pflegeheime gemäss dem Gesetz vom 12. Mai 2016 über die sozialmedizinischen Leistungen (SMLG) (SGF 820.2) und dem entsprechenden Reglement vom 23. Januar 2018 über die sozialmedizinischen Leistungen (SMLR) (SGF 820.21) betraut. Es sorgt dafür, dass die Anforderungen des Gesundheitsgesetzes, insbesondere das Kapitel Patientenrechte, eingehalten werden.
- Ethikkommission der AFISA-VFAS.
-
Das Gewaltopfer oder seine Angehörigen können ihre Situation oder Zweifel jeder Vertrauensperson in ihrem Umfeld mitteilen, z. B. den für die Betreuung der Person zuständigen Personen (Ärztin/Arzt, Pflegepersonal, Spitexpersonal, Sozialarbeiter/in, Physiotherapeut/in, Ergotherapeut/in, Lieferdienstpersonal...), oder auch Nachbarn, dem Sozialdienst der Gemeinde, Seniorenorganisationen, ... .
Im Falle einer Misshandlung der zu Hause lebenden älteren Person kann eine Beschwerde bei folgenden Beschwerdestellen eingereicht werden:
- Friedensgericht: eine ältere Person oder eine Pflegefachperson zeigt Misshandlungen durch einen pflegenden Angehörigen an.
- Kommission für die Aufsicht über die Berufe des Gesundheitswesens und die Wahrung der Patientenrechte (z. H. Direktion für Gesundheit und Soziales, Route des Cliniques 17, Postfach, 1701 Freiburg) für alle anderen Beschwerden zu Bewohnendenrechten und Misshandlung: eine ältere Person oder eine angehörige Person zeigt Misshandlungen durch eine Gesundheitsfachperson an.
-
Es gibt einen Test (existiert nur in französischer Version) für die Situationsanalyse, um den Gefährdungsgrad einer älteren Person einzuschätzen, für die ein Missbrauchs-, Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko besteht.